Nachrückverfahren

Für diese Seite unterstellen wir, dass die Kommunalwahl bereits erfolgt ist und die Wähler die verschiedenen Optionen zur Abgabe ihrer Stimmen (Listenkreuz, Streichen von Kandidaten, Kumulieren, Panaschieren, Vergabe von ausschließlich Einzelstimmen oder Abgabe einer Enthaltung bzw. ungültigen Stimme) genutzt haben. Außerdem hat das Wahlamt gemäß des Wahlergebnisses bereits die Anzahl zu vergebender Sitze und die  gewählten Kandidaten bestimmt.

Freiwerdende Mandate durch Ausschlagung oder Niederlegung

Durch verschiedene Gründe kann es aber sein, dass nicht jeder gewählte Kandidat das Mandat auch tatsächlich annimmt. Hierzu zählen beispielsweise zwingende Gründe wie ein Wegfall der Wählbarkeit (meist durch Wegzug aus der Gemeinde; hiermit erlischt automatisch die Wählbarkeit in der Gemeinde) oder die Übernahme eines konkurrierenden Amtes. So schließt die Annahme der Berufung in den Gemeindevorstand automatisch die Wahnehmung des Mandats als Gemeindevertreter aus. Wer von einer Wahlgruppe in den Gemeindevorstand berufen wird, muss daher direkt sein Mandat niederlegen bzw. das gewonnene Mandat ausschlagen.

Auch durch private Gründe ist eine Ausschlagung des Mandats möglich. Beispielsweise können Änderungen in den privaten oder beruflichen Umständen eine sinnvolle Ausübung des Mandats als nicht mehr möglich erscheinen lassen. Vielleicht wurden die Kandidaten auch mit dem Versprechen geworben, “dass sie aufgrund des Listenplatzes 'ganz unten’ ohnehin nicht oder nicht direkt das Mandat ausüben müssen”, sind aber aufgrund der Wählerentscheidung vor allem durch Kumulieren oder Streichen anderer Kandidaten aber direkt gewählt.

Die Gründe für die Ausschlagung oder Niederlegung des Mandats müssen von den jeweiligen Kandidaten nicht erläutert werden; es langt die fristgerechte Erklärung der Ausschlagung bzw. Niederlegung des Mandats.

Auswirkungen und weiteres Vorgehen

Unabhängig davon, warum ein Kandidat oder eine Kandidatin das gewonnene Mandat ausschlägt oder niederlegt, “verliert” der Wahlvorschlag, auf dem sich der Kandidat befand, nicht automatisch diesen Sitz. Stattdessen geht das Mandat an den ersten Kandidaten in der Reihenfolge des Wahlergebnisses über, der dem gleichen Wahlvorschlag angehört und bislang kein konkurrierendes Mandat besitzt. Mandatsträger im Gemeindevorstand sind von der Übernahme eines Mandats für die Gemeindevertretung ausgeschlossen (und umgekehrt), sofern sie nicht das konkurrierende Mandat niederlegen.

Legt jemand das Mandat nieder, erhält der erste Kandidat des gleichen Wahlvorschlags mit den meisten Stimmen bei der Kommunalwahl, der aber noch nicht über ein Mandat verfügt, eine Mitteilung über das Nachrückverfahren. Innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist muss der Kandidat nun entweder die Annahme des Mandats oder dessen Ausschlagung erklären. Wird das Mandat angenommen, rückt die Person in das entsprechende Gremium (Gemeindevorstand, Gemeindevertretung, Ortsbeiräte oder sonstige Gremien) nach. Wird innerhalb der Frist keine Erklärung abgegeben, gilt das Mandat ebenfalls als angenommen - es muss also ggf. “fristgerecht ausgeschlagen” werden.

Nach Übernahme des Mandats - durch explizite Annahme oder eine fehlende fristgerechte Ausschlagung - wird die entsprechende Person in der nächsten Sitzung des entsprechenden Gremiums in das Gremium aufgenommen. Zusätzlich gehört der “Nachrücker” oder die “Nachrückerin” in der Regel automatisch der emtsemdemdem Fraktion an, die zu dem entsprechenden Wahlvorschlag gehört.

Wird das Mandat ausgeschlagen, geht das Nachrückverfahren mit der nächsten Person der Liste weiter. So kann es beispielsweise sein, dass der Reihe nach die Personen auf den Positionen 12, 13 und 14 das angebotene Mandat ausschlagen. Da jede Person zwei Wochen Zeit hat, das Mandat auszuschlagen und diese Zeit erst ab Zustellung des Briefs zur Annahme des Mandats läuft, kann dies bedeuten, dass eine Fraktion über eine längere Zeit - im Beispiel bis zu 8 Wochen für drei Beratungszeiten für die abgeschlagenenen Mandate und zwei Wochen Beratungszeite für das angenommene Mandat auf Position 15 - unbesetzt bleibt.

Eine Ausnahme von dieser Regelung stellt der Gemeindevorstand dar. Die Mitglieder des Gemeindevorstands werden berufen und nicht vom Wähler gewählt. Im Gegensatz zu den anderen Gremien (Gemeindevertretung, Ortsbeiräte) können die Fraktionen daher “beliebige” (natürlich wählbare) Mitglieder in den Gemeindevorstand berufen; diese müssen also nicht vorher auf einem Wahlvorschlag gestanden haben. In der ersten Sitzung der Gemeindevertretung wird im Rahmen der Berufung direkt auch eine Liste der Nachrücker benannt; im Fall des Ausscheidens hier wird dann entsprechend verfahren.

Erschöpfung eines Listenvorschlags

In einigen Fällen kann es dazu kommen, dass eine Liste “erschöpft” ist. Davon wird gesprochen, wenn alle Kandidaten einer Liste bereits ein Mandat angenommen oder ausgeschlagen haben. In der Regel passiert dies, wenn entweder ein Wahlvorschlag sehr efolgreich war, aber eine relativ kurze Kandidatenliste eingereicht hat, oder wenn mehrere Kandidaten im Nachrückverfahren das angebotenen Mandat als “Nachrücker” abgelehnt haben.

Findet sich auf diese Weise kein Kandidat innerhalb des jeweiligen Wahlvorschlags, bleibt der entsprechende Sitz unbelegt und die entsprechende Partei oder Wählergruppe hat “einen Sitz verloren”. Nominell verfügt die Partei immer noch über die gleiche Anzahl Sitze, von denen aber ein Sitz unbelegt bleibt. Damit hat auch das Gremium eine geringere Anzahl Mitglieder.

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