Listenkreuz mit Panaschieren

Eine weitere attraktive Wahlmöglichkeit im hessischen Kommunalen Wahlgesetz (§18 (1) 3.) neben dem Kumulieren ist es, Stimmen auch auf Kandidaten verschiedener Listen verteilen zu können (“panaschieren”). Dies gibt den Wähler_innen die Möglichkeit, die Ihnen am besten erscheinenden Kandidat_innen zu wählen, unabhängig davon auf welchen Listen diese stehen. Auch hierbei  sind bis zu drei Stimmen für die gleiche Person möglich, unabhängig von den anderen Wahlentscheidungen. In diesem Beispiel betrachten wir zur Vereinfachung nur das Setzen eines Listenkreuzes (“ich stimme für Liste 1”) mit dem Panaschieren auf Kandidaten anderer Listen.

Das Panaschieren befreit die Wähler_innen von dem Zwang, sich nur für Kandidat_innen einer Liste entscheiden zu müssen. Somit können die nach eigener Einschätzung besten Kandidat_innen ausgewählt werden, ohne unliebsame Kandidat_innen der gleichen Liste ebenfalls mit Stimmen zu versorgen. 

Vorgehensweise seitens des Wählers

In diesem Beispiel will der Wähler nicht pauschal nur für Kandidaten einer konkreten Liste (der Einfachheit halber der auf Listenposition 1) stimmen. Stattdessen sollen auch ausgewählte Kandidaten einer anderen Liste Stimmen erhalten. Das Hessische Kommunale Wahlgesetz erlaubt es in §18 (1) 4. KWG, hinter die Namen dieser Personen (in die vorgesehenen Felder) bis zu drei manuelle Kreuze zu machen, um damit bis zu drei der zur Verfügung stehenden Stimmen zu vergeben. Dabei ist die Entscheidung unabhängig davon, ob für diese Kandidat_innen ein “Listenkreuz” gesetzt wurde.

Bei der Auszählung haben die manuell vergebenen Stimmen - unabhängig von der mit einem Listenkreuz ausgewählten Liste - Vorrang vor einem gesetzten Listenkreuz (siehe unten bei “Ergebnis der Wählerstimme”). Allerdings sollte man bei reichlicher Ausnutzung dieser Verwendung auch “mitzählen”: werden mehr explizite Kreuze gesetzt als Stimmen zur Verfügung stehen, ist die gesamte Stimmabgabe ungültig (!). Siehe auch unten bei “Besonderheiten”.

Konkretes Beispiel

Zur Vereinfachung betrachten wir den folgenden Wahlzettel für die Wahl eines Ortsbeirats. Es gibt drei Vorschlagslisten (A, B, C), die 5, 3 bzw. 2 Kandidat_innen aufgestellt haben. Insgesamt haben die Wähler_innern bei dieser Wahl 7 Stimmen.

Der Wahlvorschlag der Liste A besteht im Beispiel aus fünf Personen, Liste B aus drei und Liste C aus zwei Personen.

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Bei dieser Option wird hinter den Namen des Wahlvorschlags auf Listenposition 1 ein Kreuz in den entsprechenden Kreis gemacht. Gleichzeitig findet der Wähler einige Kandidaten - egal aus welchen Gründen und unabhängig von deren Listenposition - anderer Listen besonders gut geeignet und macht hinter diesen Kandidaten daher explizit ein, zwei oder drei Kreuze, beispielsweise bei den beiden Kandidat_innen auf den Positionen 1 der Listen B und C. Damit erhalten diese beiden Kandidat_innen jeweils eine “explizite” Stimme; die verbliebenen fünf Stimmen gehen an die Kandidat_innen der Liste 1, wobei jede dieser Personen eine Stimme erhält. Insgesamt erhalten also alle Kandidat_innen der Liste A sowie die Positionen 1 der beiden Listen B und C jeweils eine Stimme. Insgesamt sind damit alle 7 Stimmen vergeben.

Ergebnis der Wählerstimme

Vor der Vergabe der “Listenstimmen” werden die manuell vergebenen Stimmen erfasst und gezählt. Im Beispiel eben erhielten damit zuerst die beiden Kandidat_innen der Listen B und C eine Stimme durch das “manuell vergebene Kreuzchen”. Die verbliebenen Stimmen werden der Reihe nach jedem Kandidat der Liste mit einem Listenkreuz zugeteilt, sofern diese_r noch nicht drei Stimmen erhalten hat. Da das Listenkreuz auf Liste 1 gesetzt wurde, werden im Folgenden nur noch die Kandidat_innen dieser Liste betrachtet für die Vergabe der 5 noch verfügbaren Stimmen.

Im Beispiel erhalten daher die Kandidat_innen auf den Positionen 1-5 zunächst eine Stimme erhalten.

Besonderheiten

Generell ist zu beachten, dass die per Kumulation vergebenen Stimmen zuerst gezählt und vergeben werden, bevor die “Listenstimmen” vergeben werden. Diese Regelung gilt auch bei dem Panaschieren, bei dem per Definition Kandidaten aus mehr als einer Liste gewählt werden - genau dafür steht ja der Begriff! Gleichzeitig kann auch ein Kandidat mit kumulierten Stimmen durch das “Listenkreuz” weitere Stimmen erhalten, sofern auf seine Position eine weitere Stimme entfällt und der Kandidat nicht bereits drei Stimmen erhalten hat.

Durch das Panaschieren ist es, ähnlich zur expliziten Streichung von Kandidaten und der Kumulation, möglich, dass einzelne Kandidaten der Liste trotz Listenkreuz keine Stimme erhalten, da die verfügbaren Stimmen schon vorher “verbraucht” wurden.

Beispiel 1 (teilweise drei Stimmen)

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In diesem Stimmzettel erhielt F. Schulz von Liste B durch Panaschieren eine Stimme versehen. Gleichzeitig erhielt der besonders geschätzte Kandidat auf Position 4 der Liste A gleich zwei Kreuze.

Bei der Auswertung werden zunächst die manuell vergebenen Kreuze gezählt: Kandidat_in D. Franke der Liste A erhält 2, Kandidat_innen F. Schulz (Liste B)  eine Stimme. Damit sind drei der 7 Stimmen vergeben. Die verbleibenden vier Stimmen werden nun an die Liste A vergeben. Damit erhalten die Kandidat_innen auf den Positionen 1-3 zunächst eine Stimme, so dass nur noch eine Stimme übrigbleibt. Da Kandidat_in D. Franke zwei manuelle Stimmen erhalten hat, aber das Maximum von drei Stimmen noch nicht erreicht hat, wird die letzte Stimme nun an D. Franke vergeben.

Insgesamt ergibt sich damit folgendes Ergebnis:

  • D. Franke (Liste A) erhält zwei Stimmen durch die expliziten Kreuze, F. Schulz (Liste B) erhält eine Stimme durch das explizite Kreuz. Damit sind vor Berücksichtigung des Listenkreuzes drei der sieben Stimmen vergeben.
  • A. Maier, B. Schulze und C. Schmidt auf Liste A erhalten nun jeweils eine Stimme über das Listenkreuz bei Liste A (insgesamt 3 Stimmen, so dass nun 6 von 7 Stimmen vergeben sind).
  • D. Franke auf Liste A erhält die letzte vergebbare Stimme aus dem Listenkreuz, da das Maximum von drei Stimmen noch nicht erreicht wurde. D. Franke hat damit insgesamt drei Stimmen erhalten.
  • Trotz des Listenkreuzes bei Liste A erhält E. Meier (Platz 5 der Liste A) keine einzige Stimme, da die verfügbaren Stimmen durch die explizite Vergabe (3 Stimmen) sowie die Vergabe der Listenstimmen (4 Stimmen für die Positionen 1-4 der Liste A) bereits ausgeschöpft sind.

Beispiel 2 (Keine Zusatzstimmen bei vollen drei Stimmen)

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In diesem Stimmzettel wurde K. Müller von Liste C offenbar als beste_r Kandidat_in angesehen. Gleichzeitig wurde H. Koch (Liste B) durch Panaschieren eine Stimme gegeben. Doch was passiert nun bei Auswertung?

Als erstes werden auch hier die expliziten Kreuze gezählt. H. Koch (Liste B) erhält damit eine Stimme, K. Müller (Liste C) drei Stimmen. Es sind also bereits vier Stimmen vergeben und damit noch drei Stimmen frei.

Diese drei Stimmen werden nun gemäß Listenkreuz auf Liste C verteilt, die nur zwei Kandidat_innen enthält. Als erstes erhält I. Schneider eine Stimme. K. Müller (Liste C, Platz 2) kann keine weitere Stimme mehr erhalten, da das Maximum von drei Stimmen schon explizit vergeben wurde. Daher wird die nächste Stimme “an die nächste freie Position der Liste C” vergeben - und geht damit erneut an I. Schneider. Dies wiederholt sich anschließend, so dass sich am Ende folgendes Bild ergibt:

  • H. Koch (Liste B, Platz 3) erhält eine explizite Stimme.
  • K. Müller (Liste C, Platz 2) erhält drei explizite Stimmen.
  • I. Schneider (Liste C, Platz 1) erhält ebenfalls drei Stimmen durch das Listenkreuz.

Es ist zu vermuten, dass dies nicht dem Interesse des oder der Wähler_in lag, da ja explizit drei Kreuze bei K. Müller, aber keines bei I. Schneider gemacht wurden. Hier hätte es daher folgende sinnvolle Alternativen gegeben:

  • I. Schneider wird gestrichen; das Listenkreuz kann verbleiben, hat hier dann aber keine Auswirkung mehr. Damit erhalten H. Koch eine und K. Müller drei Stimmen; drei Stimmen verfallen zwar, dafür erhält I. Schneider als (vielleicht) unbekannte oder unerwünschte Person keine Stimmen.
  • I. Schneider wird gestrichen; das Listenkreuz kann bei Liste C verbleiben, hat dann aber keine Auswirkung mehr. Die verbliebenen drei Stimmen werden auf andere geeignete Kandidat_innen verteilt, z.B. zwei Stimmen auf C. Schmidt (Liste A) und eine Stimme für F. Schulz (Liste B). Damit wären alle sieben Stimmen vergeben.

Beispiel 3 (vollständige Ausschöpfung der kumulierten und panaschierten Stimmen)

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In diesem Beispiel vergibt der Wähler ein Listenkreuz für Liste C, verteilt aber gleichzeitig zahlreiche Stimmen per Kumulation an die verschiedenen Kandidaten der drei Listen. Beim Nachzählen der Stimmen zeigt sich, dass exakt alle verfügbaren 7 Stimmen per Kumulation vergeben wurden - unabhängig davon, an welche Kandidat_innen und auf welchen Listen. Übrigens ist es auch egal, welches der Kästchen angekreuzt wurden, so dass die “Lücken” bei C. Schmidt und E. Meier (Liste 1) genauso gewertet werden, als wäre “vorne” bzw. “durchgehend” angekreuzt worden. Insgesamt sind alle Stimmen explizit durch Kumulieren vergeben; das Listenkreuz ist damit ineffektiv, da keine weiteren Stimmen mehr zu vergeben waren.

Tipp: es ist dennoch empfehlenswert, ein Listenkreuz zu setzen, falls man sich nach unten verzählt hat. Andernfalls - etwa bei 6 explizit vergebenen Stimmen von 7 möglichen Stimmen - würden die nicht explizit vergebenen Stimmen verfallen. Bei einer “kleinen” Wahl wie der im Beispiel mit lediglich 7 Stimmen ist das Risiko des Verzählens zwar sehr gering. Bei größeren Gremien—etwa einer Gemeindevertretung mit 27+ Stimmen—hat man sich aber schnell verzählt und damit Stimmen “verschenkt”.

Beispiel 4 (zu viele vergebene Stimmen)

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In diesem Beispiel hat sich der Wähler verzählt und hat insgesamt 8 von 7 zulässigen Kreuzen gesetzt, unabhängig davon, auf welche Listen diese verteilt wurden. Das Listenkreuz ist durch die Erschöpfung der einzeln gesetzten Listen hinfällig (siehe das vorangehende Beispiel 3).

Der Gesetzgeber sieht zwar vor, dass in diesen Fällen bei den Bewerbern “von unten nach oben” Bewerbern mit einem Kreuz die Stimmen entzogen werden, bis der Stimmzettel gültig ist. Langt dies nicht aus, werden von unten nach oben Kandidat_innen mit zwei Kreuzen eines entzogen (und ggf. analog mit Kandidat_innen mit drei Kreuzen). Hierbei werden also tendenziell die “Top-Kandidat_innen” bevorzugt, da zuerst “unten gestrichen wird”. Dies gilt hier aber nicht, da mehr als ein Wahlvorschlag mit insgesamt zu vielen Stimmen versehen wurde. Es steht dem Wahlvorstand nicht zu, “für den Wähler zu entscheiden, welche Liste (als Erstes oder alleinig) Stimmen gestrichen bekommen soll”. Damit ist dieser Stimmzettel insgesamt ungültig.

Achtung: die Wahlvorstände der einzelnen Wahlbezirke sind mit den “Rettungs-Paragraphen” des Kommunalen Wahlgesetzes (konkret §20a KWG Hessen) in der Regel nicht eng vertraut. Es kann daher leicht passieren, dass auch prinzipiell “rettbare” Stimmzettel  beim “Überfliegen” als offensichtlich ungültig eingestuft wird; in diesem Fall wären alle Stimmen verloren, sofern es nicht zu einer Nachprüfung im Wahlamt kommt. Achten Sie also darauf, nicht zu viele “manuelle Kreuze” zu setzen!

Lesen Sie dazu auch die Seite zu Enthaltungen oder ungültigen Stimmen.

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